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   VG Potsdam, 29.08.2023 - 8 K 2551/20.A   

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VG Potsdam, 29.08.2023 - 8 K 2551/20.A (https://dejure.org/2023,25259)
VG Potsdam, Entscheidung vom 29.08.2023 - 8 K 2551/20.A (https://dejure.org/2023,25259)
VG Potsdam, Entscheidung vom 29. August 2023 - 8 K 2551/20.A (https://dejure.org/2023,25259)
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Wird zitiert von ...Neu Zitiert selbst (25)

  • EuGH, 03.03.2022 - C-349/20

    Secretary of State for the Home Department (Statut de réfugié d'un apatride

    Auszug aus VG Potsdam, 29.08.2023 - 8 K 2551/20
    Für die Beurteilung, ob der Schutz des UNRWA i.S.v. § 3 Abs. 3 Satz 2 Asylgesetz weggefallen ist, sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 3. März 2022 - C-349/20 -, juris) die Umstände des Einzelfalls sowohl zum Zeitpunkt der Ausreise als auch zum Zeitpunkt der behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen.

    In diesem Fall genießt der Betroffene gemäß Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (RL 2011/95/EU) ipso facto den Schutz der Richtlinie und ist damit als Flüchtling anzuerkennen, ohne notwendigerweise nachweisen zu müssen, dass er bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er in der Lage ist, in das Gebiet zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2011/95/EU hat (EuGH, Urteil vom 3. März 2022 - C-349/20 -, juris, Rn. 50; Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 -, juris Rn. 51 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 27. April 2021 - 1 C 2.21 -, juris Rn. 12).

    In zeitlicher Hinsicht ist für die Beurteilung, ob der Schutz oder Beistand des UNRWA nach diesen Maßstäben nicht länger gewährt wird, im Rahmen einer individuellen Beurteilung der relevanten Umstände nicht nur der Zeitpunkt zu berücksichtigen, zu dem diese Person das UNRWA-Einsatzgebiet verlassen hat, sondern auch der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (EuGH, Urteil vom 3. März 2022, C-349/20, juris Rn. 58).

    Im Ausgangspunkt geht auch die Kammer davon aus, dass das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 3. März 2022 (Rs. C-349/20, juris) die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für die vorliegende Konstellation nicht zweifelsfrei beantwortet, wenn die in Rn. 43 formulierte Vorlagefrage dahingehend beantwortet wird, bei der Feststellung, ob der Schutz oder Beistand des UNRWA nicht länger gewährt werde, seien im Rahmen einer individuellen Beurteilung die relevanten Umstände nicht nur zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Person das UNRWA-Einsatzgebiet verlassen hat, sondern auch zu dem Zeitpunkt der behördlichen bzw. gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen (Rn. 58).

    Wortlaut (aa), Zweck (bb) und Systematik (cc) der Spezialregelung in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2011/95/EU, die trotz ihrer offenen Formulierung gegenwärtig ausschließlich auf Personen Anwendung findet, die bei dem UNRWA registriert sind (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 -, juris Rn. 48) treffen keine eindeutigen Vorgaben für den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt und lassen so Raum für eine einzelfallbezogene Entscheidung, deren Notwendigkeit in der Rechtsprechung des EuGH immer wieder betont wird (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 3. März 2022, C-349/20, juris Rn. 53).

    Eine rechtlich tragfähige Begründung für diese evidente Schutzlücke, welche auch Generalanwalt Hogan angeführt hat (EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts vom 6. Oktober 2021, C-349/20, juris Rn. 31, darauf bezugnehmend wohl Rn. 56), ist nicht erkennbar und auch der von der Gegenauffassung angeführten Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu entnehmen.

    Weiterhin widerspricht die angenommene Sperrwirkung der vom EuGH regelmäßig betonten Verpflichtung zu einer umfassenden ex nunc-Prüfung (vgl. nur EuGH, Urteil vom 3. März 2022 - C-349/20 -, juris Rn. 55), wenn der gegenwärtige Wegfall des Schutzes im Ergebnis aufgrund der freiwilligen Ausreise ausgeblendet wird.

    Das Ergebnis würde auch dem vom EuGH betonten Gedanken einer raschen und effektiven Bearbeitung von Anträgen auf Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes (vgl. EuGH, Urteil vom 3. März 2022 - C-349/20 -, juris Rn. 55; Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 -, juris Rn. 111) zuwiderlaufen, weil es zusätzliche, nach der hier vertretenen Auffassung vermeidbare Anträge generiert.

    Bei Betrachtung der Entwicklung und fortschreitenden Ausdifferenzierung der Rechtsprechung des Gerichtshofs wird vielmehr deutlich, dass das Urteil vom 3. März 2022 (- C-349/20 -, juris) der von der Kammer vertretenen Auffassung nicht entgegensteht und die frühere - von dem Bundesverwaltungsgericht und verschiedenen Obergerichten in Bezug genommene - Rechtsprechung des EuGH für die vorliegende Fallkonstellation unergiebig ist.

    Das Urteil vom 3. März 2022 (- C-349/20 -, juris) enthält keine klare Aussage für die Fallkonstellation der freiwilligen Ausreise und des späteren Wegfalls des UNRWA-Schutzes.

    Erst im Jahr 2019 beantragten sie Asyl und beriefen sich im Wesentlichen darauf, dass sie zur Ausreise gezwungen gewesen seien, weil das UNRWA ihrem schwerstbehinderten Sohn keinen angemessenen Schutz habe bieten können und dieser Sohn aufgrund seiner Behinderung schwerer Diskriminierung ausgesetzt gewesen sei (vgl. EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Hogan vom 6. Oktober 2021, C-349/20, juris Rn. 2, 22 ff.).

    Die von dem vorlegenden Gericht formulierte erste Vorlagefrage (EuGH, Urteil vom 3. März 2022 - C-349/20 -, juris Rn. 28) lautete:.

    Im Urteil vom 3. März 2022 (C-349/20 -, juris) hat der Gerichtshof die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt, dass im Falle eines Schutzwegfalls im Zeitpunkt der Ausreise und späterer Verbesserung der Verhältnisse nicht der Zeitpunkt der Ausreise, sondern der behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung den Ausschlag gibt für die (Nicht-) Zuerkennung des ipso facto-Flüchtlingsschutzes.

  • BVerwG, 27.04.2021 - 1 C 2.21

    Voraussetzungen der Zuerkennung der Eigenschaft als ipso facto-Flüchtling

    Auszug aus VG Potsdam, 29.08.2023 - 8 K 2551/20
    Das UNRWA fällt in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2021- 1 C 2.21 -, juris Rn. 12; Urteil vom 25. April 2019 - 1 C 28.18 -, juris Rn. 18).

    In diesem Fall genießt der Betroffene gemäß Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (RL 2011/95/EU) ipso facto den Schutz der Richtlinie und ist damit als Flüchtling anzuerkennen, ohne notwendigerweise nachweisen zu müssen, dass er bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er in der Lage ist, in das Gebiet zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2011/95/EU hat (EuGH, Urteil vom 3. März 2022 - C-349/20 -, juris, Rn. 50; Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 -, juris Rn. 51 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 27. April 2021 - 1 C 2.21 -, juris Rn. 12).

    Die bloße Abwesenheit aus dem UNRWA-Einsatzgebiet oder die freiwillige Entscheidung, dieses zu verlassen, führt nicht zu einem Wegfall des Schutzes oder Beistandes (EuGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 -, juris Rn. 51, 69; Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 -, juris Rn. 49 ff., 65; BVerwG, Urteil vom 27. April 2021 - 1 C 2.21 -, juris Rn. 18).

    Dem Betroffenen ist es möglich und zumutbar, in das Einsatzgebiet der UNRWA im Libanon zurückzukehren und sich dessen Schutz oder Beistand erneut zu unterstellen, sofern er die Garantie hat, in dem Operationsgebiet aufgenommen zu werden, ihm das UNRWA dort tatsächlich einen von den verantwortlichen Stellen zumindest anerkannten Schutz oder Beistand gewährt und er erwarten kann, sich in diesem Operationsgebiet in Sicherheit und unter menschenwürdigen Lebensbedingungen aufhalten zu dürfen (BVerwG, Urteil vom 27. April 2021 - 1 C 2.21 -, juris Rn. 20 f. m.w.N. aus der EuGH-Rechtsprechung).

    Für Fallkonstellationen, in denen es dem Betroffenen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung möglich und zumutbar ist, in das Einsatzgebiet zurückzukehren und sich dem Schutz oder Beistand des UNRWA erneut zu unterstellen, ist dies - unabhängig davon, ob das UNRWA-Einsatzgebiet freiwillig verlassen wurde oder nicht - unstreitig (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 27. April 2021 - 1 C 2.21 -, juris Rn. 24).

    Wie bereits ausgeführt, wird die Zuerkennung der ipso facto-Flüchtlingseigenschaft sowohl im Urteil vom 27. April 2021 (- 1 C 2.21 -, juris Rn. 18, 24) und in dem Vorlagebeschluss vom 14. Mai 2019 (- 1 C 5.18 -, juris Rn. 41) unmissverständlich davon abhängig gemacht, dass dem Betroffenen nicht nur im Zeitpunkt des Verlassens des Mandatsgebietes der Schutz oder Beistand des UNRWA nicht länger gewährt wurde.

    Vielmehr bedarf es zusätzlich der Feststellung, dass der Staatenlose den Schutz und Beistand auch in keinem anderen Operationsgebiet des UNRWA konkret in Anspruch nehmen kann (BVerwG, Urteil vom 27. April 2021 - 1 C 2.21 -, juris Rn. 19; EuGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 -, juris Rn. 67).

    Auf der Grundlage dieser Maßstäbe gilt hier folgendes: Die Klägerin hat vor ihrer Ausreise den Schutz bzw. Beistand des UNRWA genossen; insoweit reicht die Registrierung als Nachweis aus (BVerwG, Urteil vom 27. April 2021- 1 C 2.21 -, juris Rn. 14 mit weiteren Nachweisen zur EuGH-Rechtsprechung).

  • EuGH, 13.01.2021 - C-507/19

    Bundesrepublik Deutschland (Statut de réfugié d'un apatride d'origine

    Auszug aus VG Potsdam, 29.08.2023 - 8 K 2551/20
    In diesem Fall genießt der Betroffene gemäß Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (RL 2011/95/EU) ipso facto den Schutz der Richtlinie und ist damit als Flüchtling anzuerkennen, ohne notwendigerweise nachweisen zu müssen, dass er bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er in der Lage ist, in das Gebiet zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2011/95/EU hat (EuGH, Urteil vom 3. März 2022 - C-349/20 -, juris, Rn. 50; Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 -, juris Rn. 51 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 27. April 2021 - 1 C 2.21 -, juris Rn. 12).

    Weitere Voraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist dann lediglich, dass Ausschlussgründe im Sinne des Art. 1 Abschnitt E und F GFK, des Art. 12 Abs. 1 Buchst. b und Absätze 2 und 3 der Richtlinie 2011/95/EU und des § 3 Abs. 2 AsylG nicht eingreifen (EuGH Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 -, juris Rn. 51; BVerwG, EuGH-Vorlage vom 14. Mai 2019 - 1 C 5.18 -, juris Rn. 14).

    Die bloße Abwesenheit aus dem UNRWA-Einsatzgebiet oder die freiwillige Entscheidung, dieses zu verlassen, führt nicht zu einem Wegfall des Schutzes oder Beistandes (EuGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 -, juris Rn. 51, 69; Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 -, juris Rn. 49 ff., 65; BVerwG, Urteil vom 27. April 2021 - 1 C 2.21 -, juris Rn. 18).

    Das UNRWA ist eine Organisation der Vereinten Nationen, die gegründet wurde, um im Gazastreifen, im Westjordanland, in Jordanien, im Libanon und in Syrien Palästinenser in ihrer Eigenschaft als "Palästinaflüchtlinge" zu schützen und ihnen beizustehen (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 -, juris Rn. 49; Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 -, juris Rn. 84 f.).

    Auf den Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2019 (- 1 C 5.18 -, juris) hatte der EuGH im Urteil vom 13. Januar 2021 (- C-507/19 -, juris) über insgesamt fünf Vorlagefragen zu entscheiden, in denen es maßgeblich darum ging, auf welches der fünf Operationsgebiete des UNRWA (Gaza, Westjordanland, Libanon, Jordanien, Syrien) abzustellen ist, wenn ein staatenloser Palästinenser aus einem Operationsgebiet, in dem der Schutz weggefallen ist (im Ausgangsverfahren Syrien) in ein "sicheres" Operationsgebiet (im Ausgangsverfahren Libanon) ausreist und von dort wieder in das zuerst genannte Operationsgebiet zurückkehrt, ohne damit rechnen zu können, erneut in ein "sicheres" Operationsgebiet zurückkehren zu können.

    Der EuGH hat in seinem Urteil vom 13. Januar 2021 (- C-507/19 -, juris) zu der Frage, auf welchen Zeitpunkt maßgeblich abzustellen ist, keine Aussage getroffen.

    Vielmehr bedarf es zusätzlich der Feststellung, dass der Staatenlose den Schutz und Beistand auch in keinem anderen Operationsgebiet des UNRWA konkret in Anspruch nehmen kann (BVerwG, Urteil vom 27. April 2021 - 1 C 2.21 -, juris Rn. 19; EuGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 -, juris Rn. 67).

  • BVerwG, 21.04.2022 - 1 C 10.21

    Grundsätzlich kein Abschiebungsschutz bei Existenzsicherung für absehbare Zeit

    Auszug aus VG Potsdam, 29.08.2023 - 8 K 2551/20
    Menschenunwürdige Lebensbedingungen drohen, wenn der Betroffene sich unabhängig von seinem Willen und seiner persönlichen Entscheidung in einer Situation extremer materieller Not befinden wird, die es ihm nicht erlaubt, seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die seine physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder ihn in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (zu diesem zu Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - bzw. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - GRC - entwickelten Maßstab vgl. EuGH, Urteile vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a., Ibrahim -,  juris Rn. 89 ff. und - C-163/17, Jawo -, juris Rn. 90 ff.; BVerwG, Urteil vom 21. April 2022 - 1 C 10.21 -, juris Rn. 16; Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = juris Rn. 25).

    Diese Schwelle der Erheblichkeit kann in Bezug auf vulnerable Personen schneller erreicht sein als etwa in Bezug auf gesunde und erwerbsfähige erwachsene Personen (BVerwG, Urteil vom 21. April 2022 - 1 C 10.21 -, juris Rn. 16).

    Können extrem schlechte materielle Lebensverhältnisse, welche die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK begründen, somit durch eigene Handlungen oder die Inanspruchnahme der Hilfe- oder Unterstützungsleistungen Dritter abgewendet werden, besteht schon nicht mehr die ernsthafte Gefahr einer Situation extremer materieller Not (BVerwG, Urteil vom 21. April 2022 - 1 C 10.21 -, juris Rn. 17).

    Ein gewisser Grad an Mutmaßung ist dem präventiven Schutzzweck des Art. 3 EMRK immanent, so dass ein eindeutiger, über alle Zweifel erhabener Beweis dafür, dass der Betroffene im Falle seiner Rückkehr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre, nicht verlangt werden kann (BVerwG, Urteil vom 21. April 2022 - 1 C 10.21 -, juris Rn. 13 f.).

    Es ist daher im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21. April 2022 - 1 C 10.21 -, juris Rn. 25) beachtlich wahrscheinlich, dass die Klägerin auch unter Berücksichtigung von Rückkehrhilfen nicht in der Lage sein wird, die elementarsten Bedürfnisse für sich und ihre Familie über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen.

  • EuGH, 25.07.2018 - C-585/16

    Ein Palästinenser, der vom UNRWA als Flüchtling anerkannt wurde, kann in der

    Auszug aus VG Potsdam, 29.08.2023 - 8 K 2551/20
    Das UNRWA ist eine Organisation der Vereinten Nationen, die gegründet wurde, um im Gazastreifen, im Westjordanland, in Jordanien, im Libanon und in Syrien Palästinenser in ihrer Eigenschaft als "Palästinaflüchtlinge" zu schützen und ihnen beizustehen (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 -, juris Rn. 49; Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 -, juris Rn. 84 f.).

    Das Ergebnis würde auch dem vom EuGH betonten Gedanken einer raschen und effektiven Bearbeitung von Anträgen auf Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes (vgl. EuGH, Urteil vom 3. März 2022 - C-349/20 -, juris Rn. 55; Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 -, juris Rn. 111) zuwiderlaufen, weil es zusätzliche, nach der hier vertretenen Auffassung vermeidbare Anträge generiert.

    Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und Satz 2 der Richtlinie 2011/95/EU stellen im Zusammenspiel eine zwingend anzuwendende Spezialregelung dar (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16, Alheto -, juris Rn. 87).

    Die Voraussetzungen dieser Spezialregelung sind unabhängig davon zu prüfen, ob der Antragsteller sich darauf berufen oder die nationale Behörde Entscheidung darauf gestützt hat (EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16, Alheto -, juris Rn. 87 ff., 101).

    In dem Urteil in der Rechtssache Alheto (Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 -, juris) hat der EuGH keine ausdrückliche Aussage zur Frage des entscheidungserheblichen Zeitpunktes getroffen.

  • VG Berlin, 27.04.2023 - 34 K 69.21

    Asylrecht: Subsidiärer Schutz für einen originär aus Syrien stammenden

    Auszug aus VG Potsdam, 29.08.2023 - 8 K 2551/20
    Im Fall einer Verschlechterung ist die betroffene Person ipso facto-Flüchtling, wenn der Schutz des UNRWA im Zeitpunkt der Entscheidung weggefallen ist (entgegen VG Berlin, Urteil vom 27. April 2023 - 34 K 69/21 A -, juris).

    Die Gegenauffassung (insbesondere VG Berlin, Urteil vom 27. April 2023 - 34 K 69/21 A -, juris Rn. 79 ff., Urteil vom 24. November 2021 - 34 K 326.18 A -, juris Rn. 31 f.) überzeugt nicht.

    Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Berlin (Urteil vom 27. April 2023 - 34 K 69/21 A -, juris Rn. 79 und 82) entspricht die Annahme einer Sperrwirkung in der vorliegenden Fallkonstellation eines späteren Wegfalls des Schutzes des UNRWA auch nicht einer gefestigten Rechtsprechung des EuGH.

    Einen Anlass, seine vom Bundesverwaltungsgericht vermeintlich missverstandene Rechtsprechung klarzustellen, bestand für den Gerichtshof daher überhaupt nicht (so aber VG Berlin, Urteil vom 27. April 2023 - 34 K 69/21 A -, juris Rn. 82).

    Die sich auf die vorstehend zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beziehenden Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 9. Januar 2023 - OVG 3 N 7/20 -, n.v. EA S. 3 f.) und des VGH Mannheim (Beschluss vom 3. Februar 2023 - A 12 S 2575/21 -, juris Rn. 10) übertragen den vom Bundesverwaltungsgericht für eine andere Fallkonstellation aufgestellten Rechtssatz ebenso wie das Verwaltungsgericht Berlin (VG Berlin, Urteil vom 27. April 2023 - 34 K 69/21 A -, juris Rn. 82) ohne Begründung auf einen anders gelagerten und aus den vorstehenden Gründen auch anders zu beurteilenden Sachverhalt.

  • EuGH, 19.12.2012 - C-364/11

    Ein Palästinenser, der gezwungen war, das Einsatzgebiet des UNRWA zu verlassen,

    Auszug aus VG Potsdam, 29.08.2023 - 8 K 2551/20
    Die bloße Abwesenheit aus dem UNRWA-Einsatzgebiet oder die freiwillige Entscheidung, dieses zu verlassen, führt nicht zu einem Wegfall des Schutzes oder Beistandes (EuGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 -, juris Rn. 51, 69; Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 -, juris Rn. 49 ff., 65; BVerwG, Urteil vom 27. April 2021 - 1 C 2.21 -, juris Rn. 18).

    Wortlaut (aa), Zweck (bb) und Systematik (cc) der Spezialregelung in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2011/95/EU, die trotz ihrer offenen Formulierung gegenwärtig ausschließlich auf Personen Anwendung findet, die bei dem UNRWA registriert sind (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 -, juris Rn. 48) treffen keine eindeutigen Vorgaben für den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt und lassen so Raum für eine einzelfallbezogene Entscheidung, deren Notwendigkeit in der Rechtsprechung des EuGH immer wieder betont wird (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 3. März 2022, C-349/20, juris Rn. 53).

    In dem Verfahren der Rechtssache Karem El Kott (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 -, juris) legte ein ungarisches Gericht dem EuGH im Wesentlichen die gleiche Vorlagefrage vor und formulierte dabei schon in der Vorlagefrage unter anderem die Variante, dass der Wegfall des Schutzes sich (nur) auf den Aufenthalt außerhalb des Einsatzgebietes beziehen könnte (Rn. 41).

    Im Ergebnis hat der Gerichtshof in der Rechtssache Karem El Kott (Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 -, juris) zunächst allein auf den Zeitpunkt der Ausreise abgestellt.

  • BVerwG, 14.05.2019 - 1 C 5.18

    Zuerkennung einem Staatenlosen die Eigenschaft als ipso facto-Flüchtling (hier:

    Auszug aus VG Potsdam, 29.08.2023 - 8 K 2551/20
    Weitere Voraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist dann lediglich, dass Ausschlussgründe im Sinne des Art. 1 Abschnitt E und F GFK, des Art. 12 Abs. 1 Buchst. b und Absätze 2 und 3 der Richtlinie 2011/95/EU und des § 3 Abs. 2 AsylG nicht eingreifen (EuGH Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 -, juris Rn. 51; BVerwG, EuGH-Vorlage vom 14. Mai 2019 - 1 C 5.18 -, juris Rn. 14).

    Auf den Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2019 (- 1 C 5.18 -, juris) hatte der EuGH im Urteil vom 13. Januar 2021 (- C-507/19 -, juris) über insgesamt fünf Vorlagefragen zu entscheiden, in denen es maßgeblich darum ging, auf welches der fünf Operationsgebiete des UNRWA (Gaza, Westjordanland, Libanon, Jordanien, Syrien) abzustellen ist, wenn ein staatenloser Palästinenser aus einem Operationsgebiet, in dem der Schutz weggefallen ist (im Ausgangsverfahren Syrien) in ein "sicheres" Operationsgebiet (im Ausgangsverfahren Libanon) ausreist und von dort wieder in das zuerst genannte Operationsgebiet zurückkehrt, ohne damit rechnen zu können, erneut in ein "sicheres" Operationsgebiet zurückkehren zu können.

    Zusätzlich muss es ihm auch in dem nach § 77 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts unmöglich sein, in das Einsatzgebiet zurückzukehren und sich dem Schutz oder Beistand des UNRWA erneut zu unterstellen (BVerwG, EuGH-Vorlage vom 14. Mai 2019 - 1 C 5.18 -, juris, Rn. 41).

    Wie bereits ausgeführt, wird die Zuerkennung der ipso facto-Flüchtlingseigenschaft sowohl im Urteil vom 27. April 2021 (- 1 C 2.21 -, juris Rn. 18, 24) und in dem Vorlagebeschluss vom 14. Mai 2019 (- 1 C 5.18 -, juris Rn. 41) unmissverständlich davon abhängig gemacht, dass dem Betroffenen nicht nur im Zeitpunkt des Verlassens des Mandatsgebietes der Schutz oder Beistand des UNRWA nicht länger gewährt wurde.

  • VG Minden, 18.03.2022 - 1 K 662/18

    Ausreise, freiwillige Einsatzgebiet Flüchtlingsschutz "ipso facto" Libanon

    Auszug aus VG Potsdam, 29.08.2023 - 8 K 2551/20
    Ebenso unstreitig dürfte sein, dass der Anspruch auf die ispo facto-Flüchtlingsanerkennung nicht verloren geht, wenn das Einsatzgebiet nach den Maßstäben des Europäischen Gerichtshofes unfreiwillig verlassen wurde und eine Rückkehr auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht möglich oder zumutbar ist (vgl. VG Minden, Urteil vom 18. März 2022- 1 K 662/18.A -, juris Rn. 47).

    Hinsichtlich der verbleibenden Konstellation - das Mandatsgebiet wurde freiwillig verlassen, eine Rückkehr ist allerdings nicht mehr möglich bzw. zumutbar - hat die Kammer auch bisher schon keine "Sperrwirkung" (zum Begriff vgl. VG Minden, Urteil vom 18. März 2022 - 1 K 662/18.A -, juris Rn. 49) durch das freiwillige Verlassen angenommen (VG Potsdam, Urteil vom 6. Mai 2022 - 8 K 5781/17.A -, juris Rn. 32; Urteil vom 18. Juni 2020 - 8 K 3961/17.A -, juris Rn. 24; ebenso VG Köln, Urteil vom 8. Oktober 2021 - 20 K 3644/16.A -, juris Rn. 46 m.w.N.).

    Ob darüber hinaus eine "eingeschränkte Sperrwirkung" des freiwilligen Verlassens anzunehmen ist, wenn die nachträgliche Veränderung auf Gründen beruht, die von dem Antragsteller kontrolliert werden können bzw. von seinem Willen abhängig sind bzw. wenn er auf der Grundlage ihm vorliegender konkreter Informationen vernünftigerweise mit dem Eintritt dieser Umstände rechnen musste (vgl. VG Minden, Urteil vom 18. März 2022 - 1 K 662/18.A -, juris Rn. 56), bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, weil derartige Umstände von den Beteiligten nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich sind.

  • VG Hamburg, 09.09.2021 - 14 A 6163/21

    Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf die Zuerkennung

    Auszug aus VG Potsdam, 29.08.2023 - 8 K 2551/20
    Eine Unterstützung durch im Ausland lebende Familienangehörige ist in Anbetracht der im libanesischen Bankensystem "eingefrorenen Konten" (BfA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Libanon, 1. März 2023, Seite 60) faktisch kaum möglich (vgl. zu dieser Bewertung auch VG Dresden, Urteil vom 15. Dezember 2021 - 11 K 359/19.A -, juris Rn. 45; VG Hamburg, Urteil vom 9. September 2021 - 14 A 6163/21 -, juris Rn. 51).

    So können diese Hilfen insbesondere angesichts des inflationsbedingt extrem hohen Preisniveaus nicht als alleinige Lebensgrundlage dienen (vgl. zu dieser Bewertung auch VG Hamburg, Urteil vom 9. September 2021 - 14 A 6163/21 -, juris Rn. 51).

  • BVerwG, 25.04.2019 - 1 C 28.18

    Vorrangige Prüfung von asylrechtlichen Unzulässigkeitsgründen auch bei

  • VG Potsdam, 18.06.2020 - 8 K 3961/17

    Libanon, Palästinenser, UNRWA, Abschiebungsverbot, humanitäre Gründe,

  • EuGH, 19.03.2019 - C-297/17

    Ibrahim - Vorlage zur Vorabentscheidung - Raum der Freiheit, der Sicherheit und

  • BVerwG, 04.07.2019 - 1 C 45.18

    Trotz Abschiebungsschutzes einzelner Mitglieder der Kernfamilie ist bei der

  • BVerwG, 31.01.2013 - 10 C 15.12

    Afghanistan; Provinz Helmand; Kabul; Abschiebung; Abschiebungsverbot;

  • BVerwG, 20.05.2020 - 1 C 34.19

    Anfechtungsklage; Asylantrag; Bulgarien; Erheblichkeitsschwelle; EuGH-Vorlage;

  • BVerwG, 17.06.2020 - 1 C 35.19

    Asylantrag; Bulgarien; Drittstaat; Drittstaatenbescheid; Drittstaatenregelung;

  • BVerwG, 20.05.2020 - 1 C 11.19

    Abschiebungsschutz; Akteur; Aufklärung; Bürgerkrieg; EuGH-Vorlage;

  • BVerwG, 13.02.2019 - 1 B 2.19

    Kriterien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S. des § 60 Abs.

  • EuGH, 17.06.2010 - C-31/09

    Ein vertriebener Palästinenser genießt den Schutz oder Beistand des Hilfswerks

  • VGH Baden-Württemberg, 03.02.2023 - A 12 S 2575/21

    Maßgebliche Zeitpunkte für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

  • VG Dresden, 15.12.2021 - 11 K 359/19
  • VG Berlin, 24.11.2021 - 34 K 326.18
  • VG Potsdam, 06.05.2022 - 8 K 5781/17
  • VG Köln, 08.10.2021 - 20 K 3644/16
  • VG Berlin, 09.02.2024 - 38 K 86.20

    Asylrecht: Aufhebung einer Schutzgewähr; Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

    Sollte es auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommen (so VG Potsdam, Urteil vom 29. August 2023 - 8 K 2551/20.A -, juris Rn. 27ff.; siehe auch Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs, Schlussanträge vom 11. Januar 2024 - C-563/22 -, juris), wäre hingegen davon auszugehen, dass das UNRWA der Klägerin und ihrer Familie bei einer Rückkehr keinen ausreichenden Schutz gewähren könnte.
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